Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung – Zur Arbeit der IHKs (2.Teil)

von  Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin

(Zweiter Teil und Fortsetzung des ersten Teils aus: Rothe, Klaus-Michael: Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung – Zur Arbeit der IHKs. In: Zum mercklichen Vortheil des Publici… Aus der Geschichte der Industrie- und Handelskammern Neubrandenburg, Rostock und Schwerin. 1. Aufl. Rostock: Verlag Redieck & Schade, 2003, S. 345 – 353)

 


Klaus-Michael Rothe

B. Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung


1. Zentrum der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in Deutschland

 Die Industrie- und Handelskammern zu Schwerin, Neubrandenburg und Rostock sind das Zentrum der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern. Zugleich sind sie zukunftsorientierte Dienstleister für alle Unternehmen und Behörden im Land. Die deutschen IHKs sind das Zentrum der Selbstverwaltung in Deutschland und die 82 IHKs sind jeweils integraler Bestandteil der regionalen Wirtschaft. Ständig neue, wirtschaftliche und gesellschaftliche Anforderungen geben ihnen zusätzliche Aufgaben und Funktionen; so verstehen sich die IHKs in Schwerin, Neubrandenburg und Rostock als Impulsgeber für Wirtschaft, Verwaltung und Politik in Mecklenburg-Vorpommern.

Ihre Stärken beziehen die IHKs aus der engen Zusammenarbeit von Unternehmern/innen und den in den IHKs tätigen Fachleuten. Diese Konstellation gewährleistet effizienten, unbürokratischen und zukunftsorientierten Einsatz für die Wirtschaft der Region; sie bringt unternehmerische Erfahrung und fachliche Detailkenntnis miteinander in Einklang. Die Interessen aller 70.000 IHK zugehörigen Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern sind durch die IHKs des Landes zusammenzufassen, abzuwägen und im politischen Geschehen mit Kompetenz zu vertreten.Als parteipolitisch unabhängige Stimme der Wirtschaft verschaffen sich die IHKs in der Region, im Land, auf Bundes- und auch auf Europaebene Gehör. Angesichts der sich ständig und immer schneller verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist das Prinzip der Selbstorganisation der Wirtschaft aktueller denn je: es ist gelebte Unabhängigkeit und damit das Gegenteil von Bürokratie und Staatsaktionismus. Die Industrie- und Handelskammern sind als moderne Dienstleister der Wirtschaft zukunftstauglich und bieten – in der Organisation begründet – allen Mitgliedern die Möglichkeit, sich aktiv für ihre eigenen Belange einzusetzen.

2. Selbstorganisation – ein erfolgreiches Konzept

Seit mehr als 150 Jahren gibt es die IHKs in Deutschland. Die historischen Wurzeln reichen weit zurück bis hin zu den mittelalterlichen kaufmännischen Zusammenschlüssen der Gilden und Kommerzkollegien, mit denen sich die Kaufmannschaft selbst organisierte und gegenüber der Obrigkeit zu behaupten suchte. Durch Selbstorganisation erledigt die Wirtschaft damals wie heute ihre eigenen Angelegenheiten dezentral, wirtschaftsnah, kostengünstig und in eigener Verantwortung. Als Einrichtungen der Wirtschaft entlasten die IHKs die Staatsverwaltung, beraten diese aber zugleich auch bei deren Wirtschafts- und Strukturpolitik wirtschaftsnah und problemorientiert. Dieses System liegt zugleich im ureigensten Interesse der kammerzugehörige n Unternehmen, denn es garantiert zu deutlich geringeren Kosten, als wenn der Staat diese Tätigkeiten selber wahrnehmen würde, eine sehr wirtschaftsnahe Erfüllung dieser Aufgaben. Voraussetzung für freiheitliche Selbstverwaltung ist, dass der Staat der Wirtschaft die Organisationsform der „ Körperschaft des öffentlichen Rechts “ zur Verfügung stellt. Denn nur in dieser Organisationsform einer unabhängigen juristischen Person kann die IHK, in eigener Befugnis und objektiv, die in großer Vielfalt übertragenen staatlichen Aufgaben erledigen.

Selbstorganisation bedeutet vor allem, dass der unternehmerische Sachverstand unmittelbar in die Entscheidungsprozesse der IHK mit einfließt. Angesichts der sich ständig ausweitenden Menge sachfremder Entscheidungen in Politik und Verwaltung zulasten der Wirtschaft ist das Prinzip der Selbstorganisation daher aktueller und notwendiger denn je.

„ Selbstverwaltung der Wirtschaft “ ist damit eine bewusste Abkehr von der staatlichen, problemfernen Zentrale – sie ist im Gegenteil die Organisation der kurzen Wege sowie der sachnahen und kostengünstigsten Entscheidungen. Die Selbstverwaltung ist somit ein ganz konkreter Beitrag zu einem schlanken, entbürokratisierten Staat!

3. Anwalt der Wirtschaft

Interessenvertretung der Wirtschaft ist in Mecklenburg-Vorpommern vor allem eine Vertretung der ortsansässigen, kleinen und mittelständischen Unternehmen, die 98 % des Mitgliederbestandes der 70.000 Mitgliedsunternehmen der IHKs in Mecklenburg-Vorpommern ausmachen. Diese Interessenvertretung, die der Schaffung und dem Erhalt guter Rahmenbedingungen für die Wirtschaft dient, ist in der Regel unspektakulär. Sie wird in der Öffentlichkeit zumeist nur wenig wahrgenommen.

Wenn die IHKs z.B. Bebauungspläne begutachten oder zu Gesetzentwürfen Stellung nehmen, erledigen sie Aufgaben, um die sich einzelne Unternehmen in der Regel nicht kümmern können. Um ein wirtschaftsfreundliches Klima in unserem Lande nicht nur in Reden zu beschwören, sondern im Einzelfall auch tatsächlich durchzusetzen, ist gegenüber Politik und Verwaltung harte und geschickte Arbeit der IHKs, im Grundsätzlichen wie auch im Detail, nötig. Sehr oft werden die IHKs schon im Vorfeld der Entscheidungen von Politik und Verwaltung tätig – ohne Aufsehen und mit langem Atem. Auf diese Weise können bereits abseits der „großen Politik“ zahlreiche Entscheidungen im Interesse der Wirtschaft fallen, ohne erst Schaden in der wirtschaftlichen Praxis zu entfalten oder in die parteipolitische Diskussion zu geraten.

Natürlich werden dabei durch die IHKs auch Interessen des einzelnen Unternehmens berücksichtigt. Werden Unternehmen z.B. durch eine kommunale Werbesatzung behindert, werden unverhältnismäßige Abgaben und Gebühren festgelegt oder entstehen Probleme bei der Bewilligung von Fördermitteln, so übernehmen die IHKs als Anwalt der Wirtschaft mit ihren vielfältigen Einflussmöglichkeiten kostenlos die Interessenvertretung des Mitglieds. Es sind der IHK nur dann gesetzliche Grenzen gesetzt, wenn es um arbeitsrechtliche oder allein sozialpolitische Interessen geht oder wenn sie einzelne Mitglieder gegenüber anderen Mitgliedern unsachgemäß bevorzugen würde.

4. Wirtschaftsförderung

Wirtschaftsfördernd unterstützen die IHKs die Mitgliedsbetriebe im Kammerbezirk. Dieses geschieht meistens aufgrund direkter Anfrage der Unternehmen z.B. nach Kooperationspartnern, Exportmöglichkeiten, Förderprogrammen, Schuldnerverzeichnisse n usw., oder mit Informationen, Publikationen und den vielfältigen Veranstaltungsangeboten an alle Mitgliedsunternehmen. Jede IHK bietet darüber hinaus jedem ihrer Mitgliedsunternehmen ein Netzwerk mit den anderen 81 IHKs in Deutschland, aber auch international über die europäische IHK Vereinigung Eurochambres, ausländische Kammerorganisationen und die 120 Auslandshandelskammer n, Repräsentanz en und Delegiertenbüro s der Deutschen Wirtschaft in 84 Ländern! Innerhalb dieses Netzwerkes sind Ansprechpartner und dadurch Problemlösungen für nahezu jede wirtschaftliche Frage der IHK zugehörigen Unternehmen verfügbar.

Zugleich eröffnen die IHKs in Mecklenburg-Vorpommern durch ihre direkte Mitarbeit in fast 100 Organisationen Mitsprachemöglichkeiten und -rechte. Dadurch braucht kein IHK zugehöriges Unternehmen dort vor der Tür um Einlass zu bitten, wo die IHKs bereits tätig sind und wirtschaftsrelevante Entscheidungen gefällt werden. Überall dort, z.B. in der Bürgschaftsbank Mecklenburg-Vorpommern, der Mittelständische n Beteiligungsgesellschaft MV, den Wirtschaftsfördergesellschaften, in Innovations- und Technologiezentren, in der Auftragsberatungsstelle Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Wirtschaftsbeiräten der Gemeinden und des Landes setzen sich die IHKs ortsnah und immer wieder direkt für ihre Mitglieder ein. Gleiches gilt für die Arbeit der IHKs in Mecklenburg-Vorpommern in der Zusammenarbeit mit den Ministerien der Landesregierung in der Landeshauptstadt Schwerin.

Wirtschaftsfördernd veranstalten die IHKs und das IHK Bildungszentrum Fortbildungslehrgänge und Seminare für Unternehmen und Arbeitnehmer. Die IHKs erstellen Produktkatalog e, Strukturanalyse n auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene, Informationsbroschüren über europäische, Bundes- oder Landesförderprogramme, über Gewerbegebiete, aktuelle Rechts-und Steuerfragen sowie über zahlreiche weitere für Unternehmen relevante Themen. Diese Publikationen und Seminare sowie die monatlich kostenlos jedem Mitglied zugeschickten IHK Zeitschriften werden ergänzt durch individuelle Einzelberatungen zu allen Problemfällen der Unternehmensführung, die den Mitgliedern kostenlos angeboten werden.

 

5. Das Ehrenamt als „Motor“ der IHKs

Eine zentrale Säule der IHKs ist die Arbeit des unternehmerischen Ehrenamt es. Durch die Einbindung von bundesweit ca. 250.000 in den Industrie- und Handelskammern ehrenamtlich (d.h. unentgeltlich!) tätigen Unternehmern/innen und Unternehmensvertretern/innen (bei den IHKs in Mecklenburg-Vorpommern sind es über 3.700!) erhalten die IHKs ständig aktuellste Sach- und Problemkenntnisse aus der unternehmerischen Praxis, die sie zum Vorteil aller Unternehmer/innen weitervermitteln. Aufgrund dieser engen Anbindung an die Wirtschaft kann keine staatliche Beratung die wirtschaftsnahe Beratung durch die IHKs ersetzen. Wirtschaftsförderung in Selbstorganisation wird gerade in Zeiten knapper Kassen und dem zu erwartenden Rückgang staatlicher Wirtschaftsförderung wichtiger denn je.

Die IHKs sichern die Rahmenbedingungen für den Erhalt der Marktwirtschaft und erneuern diese ständig für die Zukunft. Sie unterliegen daher auch selber – wie ihre Mitgliedsunternehmen – dem Innovationsdruck. Und dies ist gut so, denn nur wenn diese Motivation und Kraft zur Arbeit an sich selbst vorhanden sind, bleiben die IHKs den Problemen ihrer Mitgliedsunternehmen gegenüber offen und zugewandt. Gegenüber reformbedürftigen staatlichen Organisationen liegt der Vorteil der Selbstorganisation mit dem Recht zur Selbstgestaltung also auf der Hand: Selbstverwaltung bietet mehr demokratische und inhaltliche Gestaltungsrechte als jede andere Organisationsform. Selbstorganisation kann sich somit immer wieder von innen heraus und eng an den Problemen der Wirtschaft orientiert reformieren. Selbstorganisation als Selbsthilfe der Wirtschaft ist somit auch das Konzept für die erfolgreiche Gestaltung der Zukunft der Unternehmen und damit auch direkt für den Erhalt bestehender und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze.

6. Das IHK Netzwerk: regional und global

 Die IHKs sind sowohl als Ansprechpartner für die Unternehmen vor Ort und als auch weltweit im Interesse der regionale n Wirtschaft präsent. Im Zeitalter der Globalisierung ist das Netzwerk der Industrie- und Handelskammern mehr denn je ein Garant für eine wirksame Vertretung der Belange der gewerbliche n Wirtschaft. Auf lokaler und regionaler Ebene durch die 82 IHKs in Deutschland, auf Landesebene durch die jeweiligen Landesarbeitsgemeinschaft en der IHKs sowie in Berlin und Brüssel durch den Deutschen industrie- und Handelskammertag ( D IHK ): Die IHKs sorgen dafür, dass bei allen wirtschaftsrelevanten Entscheidungen von Verwaltung und Politik die Interessen der Unternehmen insgesamt berücksichtigt werden.

In der IHK Landesarbeitsgemeinschaft Mecklenburg-Vorpommern vertreten die IHK zu Schwerin, die IHK zu Neubrandenburg und die IHK Rostock gemeinsam die Position der gewerblichen Wirtschaft gegenüber der Landesregierung, dem Landtag und allen für die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern wichtigen Organisationen in Angelegenheiten von landesweiter Bedeutung. Die Geschäftsführung dieser Landesarbeitsgemeinschaft wechselt im Zweijahresrhythmus zwischen den drei beteiligten IHKs.

Gegenüber der Bundesregierung und der Europäische n Union sowie auf internationaler Ebene nimmt der Deutsche industrie- und Handelskammertag ( D IHK ) als kritischer Partner der Politik die Interessen der Wirtschaft wahr. Der DIHK ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder die 82 deutschen IHKs sind. Die Willensbildung und Entscheidungsfindung in den Gremien des DIHK erfolgt durch die von den Mitgliedsunternehmen gewählten Vertreter der einzelnen IHKs. So spricht der DIHK als Spitzenorganisation der gewerblichen Wirtschaft für über drei Millionen Unternehmen, vom Großunternehmen bis hin zum Einzelhändler oder Gastwirt. Das verleiht dem DIHK ein hohes politisches Gewicht. Er ist im Gegensatz zu den Verbänden nicht die Vertretung nur einer bestimmten Gruppe von Unternehmern/innen, sondern Repräsentant der gesamten gewerblichen Wirtschaft in Deutschland. Seine Niederlassungen hat der D IHK dort, wo die für die Wirtschaft in Deutschland zentralen Entscheidungen getroffen werden: am Sitz der Bundesregierung in Berlin sowie in Brüssel, dem Sitz der wichtigsten Exekutivorgane der EU und dem Arbeitsort des Europäischen Parlaments.

In der europäischen Kammerorganisation Eurochambres arbeiten die IHKs und der D IHK eng mit den Kammerorganisationen der anderen EU Länder und der EFTA Länder sowie weiterer assoziierter Länder zusammen. Dieser Vereinigung europäischer Industrie- und Handelskammern gehören 1.600 regionale und lokale Kammern an, die zusammen über 15 Millionen Mitgliedsunternehmen vertreten. Insbesondere gegenüber den Institutionen der EU gewährleistet Eurochambres so eine wirksame Interessenvertretung der europäischen Wirtschaft.

Unverzichtbare Säule des globalen IHK Netzwerk es sind die zur Zeit (2002) 120 Auslandshandelskammer n, Repräsentanz en und Delegiertenbüro s der deutschen Wirtschaft. In über 80 Ländern der Welt. Diese Auslandsvertretungen der deutschen Wirtschaft werden zentral vom DIHK in Berlin organisiert. Dieses Angebot ist weltweit einmalig und einer der Gründe für die in der Welt führende Rolle der bundesdeutschen Unternehmen im Bereich der Exportwirtschaft.

7. Die IHK als Vertreterin aller Unternehmen

 Die Selbstverwaltung der Wirtschaft basiert auf dem Grundprinzip, dass alle Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft Mitglied in ihrer regionalen Industrie- und Handelskammer sind. Denn nur wenn alle Unternehmen Mitglied sind, können die IHKs das Interesse aller Unternehmen abwägen und vertreten. Die IHK hat die gesetzliche Aufgabe, das Gesamtinteresse der Wirtschaft, also das Interesse aller IHK zugehörigen kleinen und großen Unternehmen, branchenübergreifend zu formulieren und gegenüber Politik sowie Verwaltung zu vertreten. Dies könnte die IHK nicht glaubwürdig und effektiv tun, wenn ein einzelnes Unternehmen austreten könnte, z.B. weil eine Position der IHK nicht seinem speziellen Interesse entspricht ( gesetzlich geregelte Pflichtmitgliedschaft ). Nahezu zwangsläufig könnten dann schnell die finanzstarken Unternehmen mit dem Druckmittel ihrer höheren Beitragszahlungen das Sagen bekommen – auf Kosten der vielen anderen, insbesondere kleineren Unternehmen. Die Wirtschaftspolitik, bei der die IHKs eine wichtige Beratungsfunktion haben, wäre dann fast ausschließlich an den Interessen der großen und finanzstarken Unternehmen und weniger am Gesamtinteresse der Wirtschaft, d.h. aller Unternehmen, orientiert als bisher.

Auch ihre hoheitliche n Aufgaben können die IHKs nur als unabhängige Institution erfüllen. Denn eine IHK muss hierbei auch gesetzlich zwingende Entscheidungen treffen können, die für die davon betroffenen Unternehmen im Einzelfall negativ sein können. Die dafür zwingend erforderliche Unabhängigkeit wäre nicht gewährleistet, wenn Unternehmen aus der IHK austreten könnten, weil sie mit den Entscheidungen der IHKs nicht einverstanden sind. Zahlreiche Aufgaben, wie z.B. die Überwachung des Wettbewerbsrechts, des Firmenrechts, oder auch der Prüfungen in der Berufsausbildung müssten dann an den Staat zurück übertragen werden.

Das System der IHKs mit der gesetzlich geregelten Pflichtmitgliedschaft aller Unternehmen, das seine juristische Grundlage im IHG Gesetz ( IHK G ) von 1956 hat, ist bewährt, jedoch keinesfalls veraltet. Dabei wurde das Prinzip dieser Pflichtmitgliedschaft in der Vergangenheit durchaus kontrovers diskutiert. Ausgangspunkt von Kritik war insbesondere eine Änderung des Beitragsrechts durch ein Bundesgesetz vom 21. Dezember 1992, das die Beitragspflicht generell auf alle IHK Zugehörigen ausgedehnt hat. Bis dahin hatten die nicht im Handelsregister eingetragenen Unternehmer/innen ( sog. Kleingewerbetreibende ) – mehr als die Hälfte aller IHK Zugehörigen – überhaupt keine Beiträge gezahlt. Eine Einschränkung dieser Vergünstigung war aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit notwendig geworden. Das Bundesverwaltungsgericht ( BverwG ) hatte in einem Urteil vom 26. Juni 1990 festgestellt, dass der Gleichheitsgrundsatz verletzt sei, wenn die Finanzierung der IHKs nur noch auf wenigen Schultern ruhe. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsvorgaben reagiert und in einem Gesetz vom 2. April 1998 auch alle sog. Kleingewerbetreibende der Beitragspflicht unterworfen, jedoch alle Kleingewerbetreibenden mit niedrigen Erträgen von IHK Beiträgen freigestellt.

Das Bundesverfassungsgericht ( BverfG ) hat die IHK Zugehörigkeit aller Gewerbetreibenden kraft Gesetzes in einem Urteil aus dem Jahr 1962 bestätigt und dieses Urteil in einem neuen Beschluss vom 7. Dezember 2002 ausdrücklich nochmals bestätigt. In seiner aktuellen Begründung verneint das Bundesverfassungsgericht die Behauptung der Kritiker, die IHK Zugehörigkeit aller Gewerbetreibender sei eine Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Sie eröffne, so das Bundesverfassungsgericht, den Kammerzugehörigen vielmehr die Chance zu Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen, lasse ihnen aber auch die Möglichkeit, sich nicht aktiv zu betätigen. Die Pflichtmitgliedschaft habe damit „…eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt“, so das höchste deutsche Gericht wörtlich.

 

C. Die IHKs effizient und leistungsstark

1. Das IHK Qualitätsmanagement

Unternehmerisches Denken und Handeln bestimmt auch die Alltagsarbeit der IHKs. Durch den gezielten Auf- und Ausbau eines systematischen Qualitätsmanagements optimieren sie bundesweit die Effizienz ihrer Arbeit. Damit entsprechen sie den Anforderungen des Gesetzgebers nach einer wirtschaftlichen Erledigung der staatlichen Aufgaben, die den IHKs als Selbstorganisationseinrichtungen der Wirtschaft übertragen sind. Sie werden damit dem berechtigten Interesse der IHK zugehörigen Unternehmen nach einer Verringerung der Beitragsbelastung bei einer gleichzeitigen Optimierung der Kundenorientierung und Stärkung der Schlagkraft der IHKs als Interessenvertreter der Unternehmen gerecht. Mit Erfolg: während die Ausgaben des Staates für die öffentlichen Verwaltungen jährlich immer weiter steigen, sinken die Beitragssätze der IHKs seit Jahren kontinuierlich.

Seit 1997 wurden auf freiwilliger Basis bundesweit IHK Betriebsvergleich e durchgeführt, welche die Grundlage für die Formulierung von einheitlichen Qualitätsstandard s für die IHK Arbeit bildeten. Insgesamt wurden tausende von Daten aus 17 Tätigkeitsfeldern erhoben. Somit konnte eine umfassende und repräsentative Datenbasis für den weiteren Ausbau des bundesweiten IHK Qualitätsmanagements geschaffen werden.

Aus den so erhobenen Daten wurden durch die IHKs bisher Qualitätsstandard s zu 172 IHK Kernaufgabe n bzw. IHK Produkt en entwickelt. Diese IHK-Qualitätsstandard s beschreiben in Bezug auf Inhalt und Durchführung dieser Aufgaben die qualitativen Eckpunkte, die bundesweit von allen IHKs mindestens einzuhalten sind. Sie basieren auf den Forderungen moderner Qualitätsmanagementsystem e ( ISO 9000 ff ) und Bewertungsorganisationen ( European Foundation for Quality-Management, EFQM ). Die IHK-Qualitätsstandards sind ein Mittel zur Sicherstellung sowie zur Überprüfung der Leistungsqualität der IHK nach innen gegenüber den Mitarbeitern/innen und nach außen gegenüber den Kunden. Von den 172 erstellten IHK-Qualitätsstandards wurden zum 1. Januar 2002 in einem ersten Schritt bundesweit 53 IHK-Qualitätsstandards und zum 1. Januar 2003 weitere 77 für alle IHKs für verbindlich erklärt. Künftig sollen jährlich 20 weitere für alle IHKs verbindlich werden. Sämtliche Standards werden ständig auf Aktualität hin überprüft und gegebenenfalls überarbeitet. Die Einhaltung der IHK-Qualitätsstandards wird regelmäßig in allen IHKs durch unabhängige Audit s kontrolliert.

2. Bundesregierung würdigt IHK-Leistungen

Die Bundesregierung hat die Leistungen der IHKs insbesondere auf dem Gebiet der Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung in ihrem Bericht an den Bundestag über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie- und Handelskammern vom 29. Mai 2002 ausdrücklich anerkannt und gewürdigt. Zitat: „Betriebsvergleiche zur Feststellung von ‚ Best Practice ‚ und auf dieser Basis entwickelte Qualitätsstandards einschließlich unabhängiger Zertifizierung … führen zu einer ständigen Verbesserung der Leistungsqualität. Dies wird zudem durch Maßnahmen der Personalentwicklung und durch den Aufbau eines organisationsinternen Wissensmanagements gefördert. Durch die bereits bei einer Vielzahl von IHKs erfolgte Einführung von Kostenrechnung und Controlling und die kurz vor der Pilotierung stehende Umstellung der bisherigen Buchführung und Rechnungslegung nach kameralistische n Grundsätze n … auf eine Buchführung … nach kaufmännischen Grundsätzen wird mehr Transparenz und Effizienz in den Haushalten der IHKs erzeugt, mit dem Ziel einer weiteren Entlastung der Mitglieder“.

3. Einheitlicher IHK Auftritt

Ebenso wichtig wie die Effizienz nach innen ist die Vermittlung der Leistungen der IHKs nach außen gegenüber den Mitgliedsunternehmen und der Öffentlichkeit. Die IHK Organisation hat deshalb ein Marketingkonzept entwickelt, das die Leistungen der Industrie- und Handelskammern transparenter macht und die Kundenorientierung noch stärker in den Vordergrund rückt. Dies gilt unabhängig von der Art der erbrachten Leistungen für das Spektrum der hoheitliche n Aufgaben der IHKs, für die Interessenvertretung zugunsten aller Unternehmen sowie für die Aufgaben der IHKs als kundenorientierter Dienstleister der regionalen Wirtschaft. Die 82 IHKs stellen dabei bundesweit die „ Marke IHK “ bundeseinheitlich in sechs Geschäftsfeld ern dar: „ Standortpolitik “, „ Starthilfe und Unternehmensförderung “, „ Aus- und Weiterbildung “, „ Innovation und Umwelt “, „ International “ sowie „ Recht und Fair Play “.

D. Auch IHK Arbeit kostet Geld

Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung und kein Selbstzweck! Nur in der Selbstverwaltungsorganisation besteht die Möglichkeit zur finanziellen und inhaltlichen Selbstgestaltung der Kammeraufgaben durch die Unternehmer/innen.Denn in Kammern mit gesetzlich geregelter Pflichtmitgliedschaft und Beitragspflicht gilt – anders als bei der staatlichen Steuerpflicht – die Regel „ Wer bezahlt, bestellt die Musik “. Die von den Kammerzugehörige n zu Vollversammlungsmitgliedern gewählten Unternehmer/innen und Unternehmensvertreter/innen des Kammerbezirkes beschließen nämlich selbst über den Haushalt der IHK und über die Höhe des IHK Beitrages. Dabei rechnen sie, wie es insbesondere Unternehmer/innen gewohnt sind, mit dem „spitzen Bleistift“. Zusätzlich geben sie durch ihre Arbeit in der Vollversammlung inhaltliche Vorgaben für die Aktivitäten der IHK. So entscheiden die betroffenen Kammerzugehörige n selbst über die Höhe und die Art der Verwendung ihrer Mitgliedsbeiträge zur Erfüllung der IHK Aufgaben.

Die Beiträge zur IHK als Körperschaft des öffentlichen Rechts sind keine zusätzlichen Kosten für die Unternehmen. Denn die Aufgaben der IHK müssten auch erledigt werden, wenn es die IHKs nicht gäbe. Notwendig wären dann aber zahlreiche neue, durch Steuern finanzierte staatliche Ämter und Behörden: Für die Berufsausbildung, für die Überwachung des Wettbewerbsrechts, für die Prüfung und Vereidigung von Sachverständigen, für Gaststättenunterrichtungen, für Arzneimittelprüfungen, für die Ausstellung von ADR-Bescheinigungen, für die Schulung von Gefahrgutfahrern etc. Für die Finanzierung dieser neuen Behörden wäre eine erhebliche zusätzliche Steuerbelastung erforderlich. Dies wäre für die Unternehmen deutlich teurer, als die Organisation und Finanzierung dieser Aufgaben über die IHKs. Zudem hätten die Unternehmen auf die wirtschaftliche Verwendung der Mittel und die sachlich/fachliche Qualität der Erledigung dieser Arbeiten keinerlei Einfluss mehr!

Die IHK Beiträge setzen sich aus einem Grundbeitrag und einer Umlage zusammen. Die Höhe der Umlage richtet sich nach dem Gewerbeertrag und damit der Leistungsfähigkeit des Unternehmens. Auch die Grundbeiträge sind nach Art und Umfang auf der Basis der Leistungskraft des Unternehmens gestaffelt. Nicht im Handelsregister eingetragene Unternehmen mit Gewinnen bis zu 5.200 Euro jährlich sind völlig von einem IHK Beitrag freigestellt (Beitragsfreistellung ). Bei den Industrie- und Handelskammern in Mecklenburg-Vorpommern sind dies ca. ein Drittel aller IHK zugehörigen Unternehmen!


 

(Ende des zweiten Teils von zwei Teilen „ Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung – Zur Arbeit der IHKs “ von Klaus-Michael Rothe, Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin. Aus: Rothe, Klaus-Michael: Selbstverwaltung ist Selbstgestaltung – Zur Arbeit der IHKs. In: Zum mercklichen Vortheil des Publici… Aus der Geschichte der Industrie- und Handelskammern Neubrandenburg, Rostock und Schwerin. 1. Aufl. Rostock: Verlag Redieck & Schade, 2003, S. 345 – 353). Teil 1

Der Verfasser, Rechtsanwalt Klaus-Michael Rothe, hat (vom Februar 1990 bis zum September 1991) den Aufbau der IHK zu Schwerin organisiert und war (vom September 1991 bis zum Dezember 2009) Hauptgeschäftsführer der IHK zu Schwerin. Seit 2010 berät Klaus-Michael Rothe Kammern, Verbände und Stiftungen bei der erfolgreichen Realisierung von Projekten sowie Unternehmen bei der zielsicheren Umsetzung von Investitionen im Schnittstellenbereich von Wirtschaft, Politik und Verwaltung.

 

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